Hexabromcyclododecan in Möweneiern: Abnehmende Konzentrationen seit dem Jahr 2000

In Möweneiern von Nord- und Ostsee wurde von den drei Hauptdiastereomeren alpha-, beta- und gamma, die in technischem HBCD enthalten sind, nur alpha-HBCD nachgewiesen. Die Konzentrationen von beta- und gamma-HBCD bewegten sich im Bereich der Nachweisgrenze. An allen drei Standorten wurden im Jahr 2000 die höchsten Konzentrationen gemessen. Danach nahmen die HBCD-Gehalte signifikant ab.

Hexabromcyclododecan (HBCD) gehört zur Gruppe der bromierten Flammschutzmittel. Technisches HBCD ist ein Gemisch aus verschiedenen Diastereomeren, die jeweils aus zwei Enantiomeren ((-)/(+)) bestehen. gamma-HBCD macht mit 75-89% den Hauptanteil aus, gefolgt von beta-HBCD mit 10-13% und alpha-HBCD mit 1-12%. HBCD wird z.B. in Wärmedämmplatten aus Polystyrolschaum aber auch in Gehäusen von Computern und Rückbeschichtungen von Textilien für Polstermöbel verwendet. Schon relativ geringe Mengen dieses hochwirksamen Flammschutzmittels reichen aus, um einen effektiven Schutz zu gewährleisten. Trotzdem sind Spuren von HBCD mittlerweile in allen Umweltkompartimenten nachweisbar.

In der Umwelt wird HBCD nur schwer abgebaut und reichert sich stark in Organismen und im Nahrungsnetz an. Darüber hinaus ist es sehr toxisch für aquatische Organismen. Diese PBT-Eigenschaften (Persistent, Bioakkumulierend und Toxisch) haben dazu geführt, dass HBCD im Rahmen der Chemikalienbewertung unter REACh als besonders besorgniserregender Stoff (SVHC - substance of very high concern) eingestuft wurde. Seine Aufnahme in Anhang 1 der Stockholmer Konvention wird derzeit diskutiert.

Trotz seiner negativen Eigenschaften darf HBCD momentan noch verwendet werden, da keine gleichwertigen Alternativen zur Verfügung stehen. Die HBCD-produzierenden und weiterverarbeitenden Industrien haben jedoch in den letzten Jahren verschiedene Programme zur Kontrolle und Reduktion von HBCD Emissionen initiiert (z.B. VECAP - Voluntary Emissions Control Action Programme und SECURE - Self Enforced Control of Use to Reduce Emissions).

Um einen Eindruck der HBCD-Belastung von Biota an deutschen Küsten zu gewinnen wurden Poolproben von Silbermöweneiern dreier Standorte in der Nord- und Ostsee im Rahmen eines retrospektiven Monitorings untersucht.

Karte der Probenahmeflächen
Abb. 1: Karte der Probenahmeflächen Trischen, Mellum, Heuwiese

 

Ergebnisse

In Silbermöweneiern von den beiden Nordseestandorten Trischen und Mellum schwankten die HBCD-Konzentrationen (Summe aller Diastereomere) zwischen 13,8 und 74,8 ng/g Fett (Trischen) und 4,17-107 ng/g Fett (Mellum). Eier von der Ostseeinsel Heuwiese wiesen HBCD-Gesamtgehalte von 25,1- 98,7 ng/g Fett auf.

Von den drei Hauptdiastereomeren in technischem HBCD wurde nur alpha-HBCD in allen Eiproben nachgewiesen. Die Konzentrationen von beta- und gamma-HBCD bewegten sich dagegen meist im Bereich der Nachweisgrenze. In allen Proben war die Konzentration von (-)-alpha-HBCD geringfügig höher als die von (+)-alpha-HBCD.

Die zeitlichen Konzentrationsverläufe waren an allen drei Probenahmeflächen ähnlich: Bis zum Jahr 2000 stiegen die Konzentrationen an, danach ist eine deutliche Abnahme zu erkennen.

Silbermöweneier aus Trischen wiesen zwischen 1988 und 2008 mittlere Konzentrationen von 7,7-41,1 ng/g Fett (-)-alpha-HBCD und 5,9-31,2 ng/g Fett (+)-alpha-HBCD auf. Nach 2000 nahmen die Gehalte signifikant ab und erreichten im Jahr 2008 Werte unterhalb der Ausgangsgehalte von 1988.

Etwas höhere Belastungen fanden sich in Eiern aus Mellum. Hier lagen die Konzentrationen der beiden alpha-HBCD Enantiomere bei 2,1-66 ng/g Fett (-)-alpha-HBCD bzw. 1,7-40,8 ng/g Fett (+)-alpha-HCBD. Auch hier nahmen die Konzentrationen nach 2000 ab, die Abnahme war aber weniger ausgeprägt als in Trischen. Erst im Jahr 2008 waren die Konzentrationen auf etwa 50% der Werte von 2000 gesunken.

Die mittlere Belastung von Möweneiern von der Ostseeinsel Heuwiese lag zwischen 1998 und 2008 bei 13,3-52,0 ng/g Fett (-)-alpha-HBCD und 11,6-44,7 ng/g Fett (+)-alpha-HBCD. Eine signifikante Abnahme zeigt sich hier nach 2002. Im Jahr 2008 lagen die Konzentrationen deutlich unterhalb der Werte von 1998.

Bis zum Jahr 2000 stiegen die Konzentrationen an, danach ist eine deutliche Abnahme zu erkennen.
Abb. 2: alpha-HBCD in Silbermöweneiern von den Nordseeinseln Mellum und Trischen und der Ostseeinsel Heuwiese

 

Bedeutung der Ergebnisse

Obwohl in technischem HBCD gamma-HBCD dominiert, findet sich in Möweneiern fast ausschließlich alpha-HBCD. Dieser Befund bestätigt frühere Untersuchungen. Als mögliche Gründe werden drei Faktoren diskutiert: (1) eine bessere Bioverfügbarkeit von alpha-HBCD wegen seiner höheren Wasserlöslichkeit, (2) eine Biotransformation von gamma- und beta-HBCD zu alpha-HBCD und (3) eine rasche Metabolisierung von gamma- und beta-HBCD, so dass es zu einer Anreicherung des langsamer abbaubaren alpha-Diastereomers kommt.

Die beobachtete Abnahme der HBCD-Belastung in Möweneiern an allen drei Umweltprobenbank-Standorten deutet darauf hin, dass die Maßnahmen zur Emissionsreduktion greifen und/oder dass der Verbrauch von HBCD in den letzten Jahren rückläufig ist.

Aktualisiert am: 12.01.2022

Empfohlene Steckbriefe

Probenarten

  • Die Silbermöwe ernährt sich in Küstennähe hauptsächlich aus dem Meer: von Fischen, Muscheln und Krebstieren.

Analyte

Probenahmegebiete

Weiterführende Informationen

Literaturangaben